ODR und ADR Streitschlichtung im Mietrecht
Mit den zwei Regelwerken (ODR-Verordnung 524/2013 und ADR-Richtlinie 2013/11/EU) möchte die EU eine Art paralleles Justizsystem zur Streitbeilegung schaffen. Dies greift auch im Verhältnis Vermieter zu Mietern.
Bereits seit 2016 ist die ODR-Verordnung der Europäischen Union in Kraft getreten. ODR steht für Online Dispute Resolution (Online-Streitschlichtung, OS).
Unternehmer im Sinne der ODR Verordnung müssen seit dem 09. Januar 2016 einen Hinweis im Impressum umgesetzt haben. Inhaltlich legt Art. 14 der ODR Verordnung folgendes fest:
„In der Union niedergelassene Unternehmer, die Online- Kaufverträge oder Online-Dienstleistungsverträge eingehen, und in der Union niedergelassene Online-Marktplätze stellen auf ihren Websites einen Link zur OS-Plattform ein. Dieser Link muss für Verbraucher leicht zugänglich sein. In der Union niedergelassene Unternehmer, die Online-Kaufverträge oder Online- Dienstleistungsverträge eingehen, geben zudem ihre E-Mail- Adressen an.“
Diese Pflichten treffen den Vermieter als Unternehmer durch die Definition in Art 4 Abs 1 b) der Richtlinie 2013/11/EU genauso, wie jeden anderen Online Händler.
Definition: „Unternehmer“ ist jede natürliche oder juristische Person — unabhängig davon, ob sie in privatem oder öffentlichem Eigentum steht —, die zu Zwecken handelt, die ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, wobei sie dies auch durch eine in ihrem Namen oder Auftrag handelnde Person tun kann“.
Zumindest der „geschäftlichen Tätigkeit“ gehört die Vermietung an. Mietverträge gelten kraft Definition als „Dienstleistungsverträge“.
Problematisch ist, dass eine solche Pflicht nicht nur auf einer eigenen Homepage, sondern auch bei Inseraten auf externen Plattformen wie Immowelt, Immoscout und Airbnb umgesetzt werden muß. Die derzeit herrschende Rechtsprechung verlangt einen anklickbaren Link auf die seit Februar 2016 eingerichtete OS-Internetseite (OS-Plattform) , welche als zentrale Anlaufstelle und Verteiler fungiert. Dort kann man als Verbraucher ein Beschwerdeformular ausfüllen und sich weiter verweisen lassen. Das Oberlandesgericht Hamm, Az: 4 U 50/17 hat hierzu folgendes entschieden: https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2017/4_U_50_17_Beschluss_20170803.html
Normen:
Verordnung (EU) Nr. 524/2013 Art. 14 Abs. 1 Satz 1
Leitsätze:
- Unter einem „Link“ im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 (ODR-Verordnung) ist eine „anklickbare“ Verknüpfung zu verstehen; die bloße textliche Wiedergabe der Internetadresse (URL) der OS-Plattform genügt nicht.
- Die Verpflichtung zur Einstellung eines Links zur OS-Plattform nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der ODR-Verordnung besteht auch für die einzelnen Angebote auf einer Internetplattform wie „ebay“ (Anschluss an OLG Koblenz, Urteil vom 25.01.2017 – 9 W 426/16 – <juris>; entgegen OLG Dresden, Urteil vom 17.01.2017 – 14 U 1462/16 – <juris>
Die anders lautende Rechtsprechung des OLG Dresden halten wir für nicht überzeugend. Auch das OLG München (Urteil vom 22.09.2016, Az. 1 HK O 1019/16) und das OLG Koblenz (Urteil vom 25.01.2017, Az. 9 W 426/16) bejahten eine Pflicht zur Verlinkung auf die OS-Plattform auch für Händler auf Amazon und eBay.
Art 14 ODR Verordnung verlangt zudem die Angabe einer EMAIL Adresse des Anbieters!
Bei Verstößen gegen die Umsetzung drohen unter anderem Abmahnungen durch Wettbewerber, die nicht selten mit Streitwerten oberhalb von € 10.000 behandelt werden.
Das war aber noch nicht der letzte Streich, denn der nächste folgte sogleich:
Bis 1. Februar 2017 musste jeder Anbieter, der eine Homepage betreibt oder Allgemeine Geschäftsbedingungen nutzt weitere Hinweise umsetzen – das ergibt sich aus dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) vom Februar 2016, das in Deutschland die ADR-Richtlinie (Alternative Dispute Resolution, Alternative Streitschlichtung) umsetzt.
Die Teilnahme an einem solchen Streitschlichtungsverfahren ist grundsätzlich freiwillig.
Doch welche Bedeutung hat das für Vermieter, die sich nicht an einem solchen Verfahren beteiligen möchten? Auch sie müssen folgende Hinweispflichten beachten und umsetzen. Hier ein Überblick in Stichpunkten:
Erforderlich ist ein Hinweis auf die Bereitschaft oder nicht gegebene Bereitschaft, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen (und falls ja, vor welcher Stelle), auf der Website und in den vom Unternehmer verwendeten AGB (§ 36 VSBG).
Nach einer nicht beigelegten Streitigkeit mit Verbrauchern müssen Unternehmen, zum Beispiel durch ihre Beschwerdeabteilung, zusätzlich im E-Mail- oder Schriftverkehr auf die für sie zuständige AS-Stelle und deren Kontaktdaten hinweisen (§ 37 VSBG). Das gilt selbst dann, wenn die Unternehmen weder verpflichtet noch bereit sind, an einer solchen Streitbeilegung teilzunehmen (Begründung zum Gesetzentwurf, BT-DrS. 18/5098 vom 09.06.2015, S. 75).
Verpflichtet sind alle Unternehmer, die eine Website betreiben oder AGB verwenden. Jeder Vermieter verwendet AGB, denn jedes Mietvertragsformular besteht aus einer Vielzahl vorformulierter und zur Mehrfachverwendung geschaffener Vertragsklauseln!
Verpflichtend ist der Hinweis ab dem 1. Februar 2017. Die Hinweise müssen leicht zugänglich, klar und verständlich sein.
Beispiel: „Wir sind weder bereit noch verpflichtet, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen“ .
„Wir sind bereit/ verpflichtet, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen. Die zuständige Stelle ist … (Anschrift, Website). Wir werden an einem Streitbeilegungsverfahren vor dieser Stelle teilnehmen.“
Beispiel nach nicht beigelegter Streitigkeit (Brief oder E-Mail): „Gesetzlicher Pflichthinweis nach § 37 Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG): Eine für Sie zuständige alternative Streitbeilegungsstelle ist (…, Adresse, Website). Wir sind nicht bereit oder verpflichtet, an einem Verfahren vor dieser Stelle teilzunehmen und werden eine Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren vor dieser Stelle ablehnen.“
Bei der Frage, wer die Pflichten umsetzen muss, muss man unterscheiden. Die Informationspflicht nach der ODR-Verordnung betrifft alle Unternehmer, die online Kauf- und Dienstleistungsverträge mit Verbrauchern abschließen. Dies könnte meist nur Vermieter von Ferienwohnungen treffen, deren Mietvertrag über das Internet geschlossen werden kann. Ansonsten ist dem Verfasser kein Fall eines online geschlossenen langfristigen Mietvertrages bekannt.
Nach dem VSBG ist dagegen nicht Voraussetzung, dass Verträge online geschlossen werden. Es reicht aus, dass das Unternehmen mit Verbrauchern Verträge schließt und entweder AGB verwendet oder eine Website betreibt.
So sind z.B. auch der stationäre Handel, Rechtsanwälte und Vermieter zu einem solchen Hinweis verpflichtet, wenn sie AGB verwenden und/ oder eine Website betreiben.
Ob dies auch für Inserate auf fremden Marktplätzen gelten soll, ist derzeit umstritten. In § 36 Abs. 2 VSBG heißt es, dass die Informationen nach Abs. 1 der Norm auf der Webseite des Unternehmens erscheinen müssen, wenn der Unternehmer eine Webseite unterhält. Es wird diesbezüglich vertreten, dass nach dem Wortlaut des Abs. 2 die Informations- und Hinweispflichten ebenfalls nur auf der eigenen Internetseite erfüllt werden müssen und nicht auf den Händler-Seiten einer Verkaufsplattform.
Diese Annahme widerspricht jedoch dem Sinn und Zweck des VSBG. Verbraucher sollen nach dem Gesetzeszweck umfassend und transparent informiert werden. Das Wissen darüber, ob der Betreiber eines Marktplatzes wie Amazon, Airbnb oder Immoscout, Immowelt am Streitbeilegungsverfahrens teilnimmt oder nicht, hilft dem Verbraucher im Zweifel nicht weiter. Vertragspartner ist vielen Fällen nicht der Betreiber eines Online-Marktplatzes, sondern der einzelne Händler/Vermieter. Auch im Rahmen des Art. 14 der ODR Verordnung heißt es „auf ihren Websites“ und dennoch wird das Inserat auf externen Plattformen auch als Webseite des Unternehmens bewertet, was im Rahmen der Umsetzung der ADR Richtlinie durch das VSBG ebenso einzustufen sein sollte. Es gilt grundsätzlich nicht der Wortlaut der Umsetzung in Deutsches Recht, sondern im Zweifel der Inhalt und Zweck der EU-Richtlinie.
Bei der Abmahngefahr muss man derzeit noch zwischen der ODR-VO und dem VSBG unterscheiden. Wer den ODR-Hinweis nicht setzt, kann in jedem Fall von Mitbewerbern, Wettbewerbsvereinen oder Verbraucherzentralen kostenpflichtig abgemahnt werden. Unternehmer und daher auch Vermieter, die auf Portalen oder Plattformen tätig sind, sollten sicherstellen, dass sie auch in dem dortigen, ggf. erforderlichen Impressum einen solchen Hinweis implementiert haben.
Bei den Pflichthinweisen nach VSBG wird an mehrfacher Stelle auch einen „Negativ“-Hinweis verlangt, dass der Unternehmer/Vermieter zur Teilnahme an solchen Verfahren weder bereit noch verpflichtet ist. Ob die Verletzung solcher Hinweispflichten mit dem Wettbewerbsrecht durchgesetzt werden kann, muss sich erst zeigen. Man wird aber die Ansicht vertreten können, dass die Hinweispflichten, auch wenn sie im Einzelnen unsinnig sein mögen, einen gewissen verbraucherschützenden Bezug haben, weil der Verbraucher erkennen kann, welcher Unternehmer zu seinen Gunsten bereit ist, an einem Streitschlichtungsverfahren mitzuwirken. Damit könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass es sich um Marktverhaltensnormen handelt, deren Verletzung gegenüber Mitbewerbern abgemahnt werden kann. Unternehmer, die gegenüber Verbrauchern tätig sind, sollten daher bis zu einer Klärung sicherheitshalber auch die Verpflichtung zu einem Negativ-Hinweis umsetzen. Da die Informationspflichten nach §§ 36, 37 VSBG als „Verbraucherschutzgesetze“ in § 2 Unterlassungsklagengesetz aufgenommen worden sind, kann eine Verletzung der Hinweispflichten auch von Verbraucherschutzorganisationen beanstandet werden.
Für weitere Informationen und Anfragen stehen wir gerne zur Verfügung:
Rechtsanwalt Stefan Göttlich
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