Private Unternehmen, die durch behördliche Anordnung im Rahmen der Corona-Pandemie geschlossen wurden, müssen von den Behörden entschädigt werden. Es daran keinen Zweifel, solange das Unternehmen nicht selbst Störer war.
Von behördlichen Schließungsanordnungen sind in allen Bundesländern Fitnessstudios ebenso wie Hotels, Restaurants, Friseursalons oder Kosmetikstudios betroffen, denen durch die angeordneten Schließungen im Zusammenhang mit der Corona Virus Pandemie immense Verluste entstanden sind.
Dass die Maßnahmen der Behörden durchaus rechtmäßig sind, ist nicht die Frage. Ob der Unternehmer einen Entschädigungsanspruch geltend machen kann, hängt davon ab, ob die Maßnahme der Verhütung übertragbarer Krankheiten diente oder deren Bekämpfung.
Verhüten oder bekämpfen?
Zur Verhütung ermächtigt werden die Behörden durch §16 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Abgedeckt werden dadurch alle Maßnahmen, die bei einem Gefahrenverdacht erforderlich sind, um Neuansteckungen zu verhindern. Ausdrücklich wird in der Literatur zum Infektionsschutzgesetz als Anwendungsbeispiel das Verbot von Versammlungen bei drohender Pandemie genannt. Entsprechende Anordnungen fallen demnach unter Infektionsprophylaxe.
Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten stützen sich dagegen auf § 28 IfSG. Diese antiepidemischen Maßnahmen verfolgen das Ziel, Krankheitsfälle zu erfassen, zu behandeln und von ihnen ausgehende Infektionsgefahren zu beseitigen. Die Bekämpfung setzt somit stets am individuellen Krankheitsfall an. Im polizeirechtlichen Sinne gelten deshalb Kranke, Krankheitsverdächtige, Ausscheider und Ansteckungsverdächtige als seuchenhygienische Störer.
Nichtstörer seien hingegen all diejenigen Betriebe, von denen kein unmittelbares Infektionsrisiko ausgeht. Die sie betreffenden Maßnahmen hätten folglich stets §16 IfSG zur Grundlage, da es dabei immer um Prävention gehe.
Ansprüche sind innerhalb von drei Monaten geltend zu machen
Für mögliche Entschädigungsansprüche sind diese Unterscheidungen von zentraler Bedeutung. So regelt §56 IfSG die Ansprüche der sogenannten Störer. In der gegenwärtigen Situation fallen darunter vor allem diejenigen Personen, die wegen Krankheitsverdachts unter Quarantäne gestellt wurden, ohne tatsächlich krank zu sein. Ihnen steht demnach eine Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls für die ersten sechs Wochen zu, danach in Höhe des Krankengeldes.
Entsprechend steht auch Selbstständigen ein Ersatz des Verdienstausfalls zu. Sämtliche Ansprüche müssen innerhalb von drei Monaten geltend gemacht werden.
Anders die Situation bei Maßnahmen zur Prävention. Sie fußen auf den Paragraphen 16 bzw. 17 IfSG und betreffen die seuchenhygienischen Nichtstörer. Diese sollen nach dem Willen des Gesetzgebers eine Entschädigung erhalten. Maßnahmen der Infektionsprophylaxe sind daher gem. § 65 IfSG entschädigungspflichtig. Maßnahmen der Infektionsbekämpfung hingegen nicht. Denn im ersten Fall seien Nichtstörer betroffen, im zweiten jedoch Störer.
Höhe des Anspruchs
Die Höhe des Entschädigungsanspruchs bemisst sich dabei nach den Grundsätzen des allgemeinen Schadensersatzrechts. Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er ohne die Anordnung stehen würde. Eine Dreimonatsfrist besteht in diesem Fall nicht. Zu richten sind die Ansprüche gegen das Land, in dem die Anordnung erlassen wurde.
Beispielsweise in Berlin gibt es die erste Verordnung zur Eindämmung des Coronavirus in Berlin des Senat von Berlin vom 14.03.2020 und die zweite Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung vom 21. März 2020, wonach nunmehr fast alle Betriebe geschlossen werden mussten. Dies geschah „zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Berlin“. Wenn in dem einzelnen Fitnessstudio, Hotel oder Gastronomiebetrieb keine Krankheitsfälle nachgewiesen wurden, handelt es sich dabei um eine Maßnahme der Infektionsprophylaxe. Für die Mitglieder des Fitnessstudios ist mit der Schließung die Pflicht zur Beitragszahlung entfallen und in Gaststätten und Hotelbetrieben kann kein Gast mehr empfangen werden. Folglich hat der Betreiber einen Entschädigungsanspruch gegenüber dem Land Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung aus §65 IfSG.
Fazit:
Viele der Maßnahmen, die von den Behörden zur Verhütung einer Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 Virus-Infektionen angeordnet wurden, sind Maßnahmen der Infektionsprophylaxe, die nur auf § 16 IfSG gestützt werden können. Sie sind damit, auch wenn sie rechtmäßig sind, nach § 65 IfSG entschädigungspflichtig. Die Vorschrift des § 65 IfSG hat bislang ein Schattendasein geführt, weil es um erstmalige Massnahmen und daher um den ersten Anwendungsfall in Deutschland seit dem 2. Weltkrieg geht. Rechtsprechung dazu ist nicht verfügbar. Die Vorschrift wird aber in den kommenden Monaten erhebliche Bedeutung bei der Folgenbeseitigung der Corona-Krise bekommen. Das Risiko eines Rechtsstreits muß aber wie immer der Geschädigte selbst tragen und auf freiwillige Entschädigungen wird niemand hoffen können. Sowohl die Bundeshilfen als auch Landeshilfen laufen eher auf die Gewährung von Darlehen hinaus, was dann wohl den berechtigten Entschädigungsanspruch aushebeln soll.
Wir beraten Sie gerne.
Rechtsanwaltskanzlei Göttlich
Stefan Göttlich
Fachanwalt für Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht
Kanzlei Bad Arolsen Zweigstelle Berlin
Zum Wiggenberg 64 Oranienburger Strasse 45
34454 Bad Arolsen 10117 Berlin-Mitte
T +49-5691-8068097 T +49-30-88713185
F +49-5691-80680-99 F +49-30-88713187
Mob. 0172-3133546 Mob. 0172-3133546
Email: sekretariat@goettlich.de