Corona Schließungsanordnungen höhere Gewalt?
Die Coronakrise (SARS_CoV 19) erfasst nunmehr nahezu alle Gewerbemieter.
Die Bundesregierung plant zwar die unbürokratische Hilfe in Form der Gewährung von Darlehen, die dann aber irgendwann zurückzuzahlen wären. Eine andere Lösung kann jedoch der Wegfall eines wesentlichen Teils der Kosten des Mieters -konkret die vereinbarte Miete- für die Zeit angeordneter Betriebsschließungen sein.
Beispielsweise infolge der zweiten Berliner Verordnung zur Eindämmung des Corona Virus ist fast allen Gewerbemietern die vertragliche Leistung zur Betriebsführung der (Gaststätte, Ladengeschäfts etc.) objektiv unmöglich geworden oder es ist zumindest eine Störung der Geschäftsgrundlage eingetreten.
Medial wurde bereits darüber berichtet, dass Firmen wie Adidas und H&M ihre Mietzahlungen wegen behördlicher Schließungsanordnungen eingestellt haben. Zahlen H&M und Adidas zu Recht keine Miete?
Die Justizministerin scheint diese Folge zu überraschen aber diese irrt.
Zweite Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung
Vom 21. März 2020
Auf Grund des § 32 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 10. Februar 2020 (BGBl. I S. 148) geändert worden ist, verordnet der Senat:
Artikel 1
Die SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung vom 17. März 2020, verkündet am 17. März 2020 nach § 2 Absatz 1 des Gesetzes über die Verkündung von Gesetzen und Rechtsverordnungen vom 29. Januar 1953 (GVBl. S. 106), das zuletzt durch Gesetz vom 9. November 1995 (GVBl. S. 764) geändert worden ist, geändert durch die Erste Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung vom 19. März 2020, die am 20. März 2020 ebenfalls nach § 2 Absatz 1 des Gesetzes über die Verkündung von Gesetzen und Rechtsverordnungen verkündet worden ist, wird wie folgt geändert:
1. In § 1 Absatz 1, Satz 1 wird die Zahl „50“ durch die Zahl „10“ ersetzt.
2. In § 1 Absatz 2, Satz 1 wird die Zahl „50“ durch die Zahl „10“ ersetzt.
3. In § 1 wird ein neuer Absatz (4) angefügt:
(4) Jede und jeder soll die physischen Kontakte zu anderen Menschen, abgesehen von Angehörigen des eigenen Haushalts oder der Partnerin oder dem Partner, auf ein absolut nötiges Minimum reduzieren. Ein Mindestabstand zwischen zwei Personen von 1,5 m ist soweit möglich einzuhalten.
4. § 3 wird neu gefasst:
§ 3 Gaststätten und Hotels
(1) Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. November 1998 (BGBl. I S. 3418), das zuletzt durch Artikel 14 des Gesetzes vom 10. März 2017 (BGBl. I S. 420) geändert worden ist, inklusive Shisha-Bars, dürfen nicht für den Publikumsverkehr geöffnet werden. Sie dürfen Speisen und Getränke zur Abholung oder zur Lieferung anbieten. Für die Abholung sind geeignete Vorkehrungen zur Hygiene, zur Steuerung der Kaufabwicklung und zur Vermeidung von Warteschlangen zu treffen.
(2) Hotels und andere Beherbergungsbetriebe dürfen keine touristischen Übernachtungen anbieten.
5. § 3a, Absatz 3 wird neu gefasst:
(3) Eine Öffnung der in Absatz 2 genannten Einrichtungen erfolgt unter der Voraussetzung von Vorkehrungen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen.
Artikel 2
Diese Verordnung tritt am 22. März 2020 in Kraft.
Berlin, den 21. März 2020
Der Senat von Berlin
Michael Müller
Regierender Bürgermeister
Dilek Kalayci
Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung
Unmöglichkeit:
Da beispielsweise eine Gaststätte oder ein Hotelbetrieb nicht mehr für den Publikumsverkehr geöffnet werden darf, ist die Betriebsführung gemäß Vereinbarungen und Zweck des Mietvertrages -Gastronomiebetrieb/Hotelbetrieb oder ähnlich- des Mietvertrages unmöglich geworden. Fast alle Gewerbemieter trifft eine vertragliche Betriebspflicht, die beispielsweise von Hotel- und Gastronomiebetrieben, nunmehr nicht mehr erfüllt werden kann. Soweit Vermieter die Schließungsanordnungen wegen des SARS CoV 19 Virus als höhere Gewalt ansehen und nunmehr weiter die Mietzahlung fordern, wird diese Einschätzung falsch sein.
Nach § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Leistung ausgeschlossen, wenn die Leistung dem Schuldner oder jedermann unmöglich ist. Als Mieter sollte man rein vorsorglich die Einrede der Unmöglichkeit der Leistungspflicht erheben. Bei der absoluten Unmöglichkeit wird der Schuldner automatisch von der Leistungspflicht frei, da es sich um einen Ausschluss der Leistung kraft Gesetzes handelt.
Der Mietvertrag sieht nämlich nicht allein die Vermietung der Flächen vor, sondern regelt sehr detailliert den beabsichtigten Miet- und Nutzungszweck. Der Mietzweck verpflichtet einerseits den Mieter, die Mietsache nicht über den vereinbarten Zweck hinaus zu nutzen. Andererseits verpflichtet er aber auch den Vermieter, dem Mieter ein Mietobjekt zu überlassen, das für die vereinbarte Nutzung geeignet ist.
Kann der Mietzweck, die Nutzung z.B. als „Schank- und Speisegaststätte“, infolge einer behördlichen Anordnung nicht mehr erreicht und die vertragliche Betriebspflicht nicht erfüllt werden, so liegt hierin eine (vorübergehende) Unmöglichkeit der vermieterseitig geschuldeten Überlassung zu dem vereinbarten Nutzungszweck. Gesetzliche Folge ist daher, dass der Mieter von der Gegenleistung befreit wird, also von der Zahlung Miete – und zwar für die gesamte Zeit der Unmöglichkeit. Die Miete reduziert sich also durch die Corona Schließungsanordnung für den Publikumsverkehr als eine Mietminderung auf 0.
Das Erfüllungshindernis allein in die Risikosphäre des Mieters zu übertragen geht deshalb fehl, weil es sich bei den aktuellen Corona-Maßnahmen nicht um ein Hindernis aus dem speziellen Betrieb des Mieters handelt, sondern die Flächen generell nicht mehr zum Betriebszweck genutzt werden können. Weder andere Mieter noch der Vermieter selbst könnten die Flächen für die Dauer der behördlichen Anordnungen in einer vertragsgemäßen Weise nutzen. Das zeigt, dass die aktuelle Situation, deren Eintritt von den Parteien nicht einmal im Entferntesten bedacht wurde, nicht vollumfänglich der Risikosphäre einer einzelnen Mietvertragspartei zugeordnet werden kann.
Störung der Geschäftsgrundlage:
Hilfsweise ist von einer Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB auszugehen. Mieter sollten vom Vermieter hilfsweise für die Zeit der behördlichen Schließung eine zeitweise Vertragsanpassung fordern.
In den behördlichen Anordnungen im Rahmen der Coronakrise ist eine Störung der Geschäftsgrundlage zu sehen. Entscheident sind objektive Geschäftsgrundlagen für beide Mietvertragsparteien. Das sind Umstände, nach denen der Vertrag nach der Intentionen beider Vertragspartner einen einheitlichen Zweck erfüllen sollte. Dabei ist die sog. „große Geschäftsgrundlage“ die Erwartung, dass sich die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen nicht grundlegend ändern. Verwerfungen sind hier z.B. Krieg, Währungsverfall oder ähnliche grundlegende Änderungen der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ordnung. Alle anderen Störungen betreffen die sog. „kleine Geschäftsgrundlage“ Es ist aber wichtig, dass diese Verwerfungen beide Parteien betreffen müssen. Die Rechtsprechung hat Störungen der Geschäftsgrundlage in der Vergangenheit zum Beispiel gesehen, wenn Geschäftsmöglichkeiten infolge von Embargos oder kriegsähnlichen Zuständen oder sonstigen Ereignissen weggefallen sind, die nicht vorherzusehen waren.
Die Corona-Maßnahmen und Auswirkungen sind mit sehr großer Wahrscheinlichkeit in diese Kategorie einzuordnen, da sie offensichtlich nicht der Risikosphäre einer Mietvertragspartei allein zugeordnet werden können.
Die Rechtsfolgen der Störung der Geschäftsgrundlage reichen von der Anpassung des Vertrages (d.h. insbesondere einer Mietreduzierung) bis zu einer Aufhebung des Mietvertrages, was etwa bei einer länger andauernden Krise in Frage kommen könnte.
Beide Parteien haben eine Situation wie die aktuelle Lage nicht kommen sehen und dürften an einem nach der Krise weiter andauernden und gesunden Mietverhältnisses Interesse haben. Neben einvernehmlichen Mietreduzierungen für die Zeit der angeordneten Betriebsschließungen wären zum Beispiel auch vollständige Stundungsvereinbarungen oder eine Zustimmung des Vermieters zum Einbehalt der Nettokaltmiete bei Fortzahlung der Betriebskosten bis zur Aufhebung der Schließungsanordnungen eine Lösungsmöglichkeit. Da im Zweifel auch Schadensersatzforderungen wegen angeordneter Massnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz in Betracht kommen, sollte einer Vereinbarung mit dem Vermieter die Geltendmachung solcher Ansprüche jedoch nicht ausschließen.
Wir beraten Sie gerne.
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Stefan Göttlich
Fachanwalt für Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht
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