Der BGH hat mit Urteil vom 29. März 2017 – VIII ZR 45/16 die Leitlinien zum Umgang mit Wohnraumkündigungen wegen Eigenbedarf bei Berufs- oder Geschäftsbedarfs neu gefasst. Dass der BGH damit die Mieterrechte gestärkt hätte, so wie die Mietervereine und Teile der Tagespresse vermuten, ist indes nicht der Fall.
Der Beklagte/Wohnungsmieter wurde auf Räumung seiner 27 qm großen Zweizimmerwohnung in Berlin verklagt. Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis mit der Begründung, ihr Ehemann benötige die Wohnung zur Erweiterung seines seit 14 Jahren ausgeübten Gewerbes, da die räumliche Kapazität der hierzu im ersten Obergeschoss des Anwesens angemieteten Räume ausgeschöpft sei.
Die Vorinstanzen haben zunächst das Vorliegen eines Kündigungsgrundes bejaht, weil der von der Klägerin geltend gemachte Bedarf an der vermieteten Wohnung für die berufliche Tätigkeit ihres Ehemannes ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB darstelle, das dem Kündigungstatbestand des Eigenbedarfs (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) gleichstehe. Die auf Räumung und Herausgabe gerichtete Klage haben die Gerichte allerdings im Hinblick auf die in Berlin in Kraft getretenen Vorschriften betreffend die Zweckentfremdung von Wohnraum abgewiesen.
Nach Ansicht des BGH kam es auf das Vorliegen einer Zweckentfremdung nicht an, denn eine Kündigung und Räumungsklage könne nicht auf Eigenbedarf gestützt werden.
Der BGH weist darauf hin, dass die Gerichte im Einzelfall festzustellen haben, ob ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses besteht (§ 573 Abs. 1 Satz 1 BGB). Bei Anwendung der Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangt das Gesetz stets eine einzelfallbezogene Feststellung und Abwägung der beiderseitigen Belange der betroffenen Mietvertragsparteien. Für die Bestimmung des berechtigten Interesses haben die Gerichte zu beachten, dass sowohl die Rechtsposition des Vermieters als auch das vom Vermieter abgeleitete Besitzrecht des Mieters von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie geschützt sind.
Der BGH vertritt die Rechtsansicht, dass der Gesetzgeber mit den typisierten Regeltatbeständen des § 573 Abs. 2 BGB für die praktisch bedeutsamsten Fallgruppen geregelt hat, unter welchen Umständen der Erlangungswunsch des Vermieters Vorrang vor dem Bestandsinteresse des Mieters hat.
Will der Vermieter aus nachvollziehbaren und vernünftigen Gründen die Wohnung selbst – ausschließlich oder überwiegend – zu Wohnzwecken nutzen oder sie hierfür den im Gesetz genannten Angehörigen zur Verfügung stellen, reicht bereits ein ernsthafter Nutzungsentschluss für ein vorrangiges Erlangungsinteresse des Vermieters aus (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Wenn der Vermieter die Wohnung – wie vorliegend – jedoch nicht zu Wohnzwecken benötigt, sondern sie einer ausschließlich gewerblichen Nutzung zuführen will, ist der Kündigungstatbestand des Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht erfüllt. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift und eine Gleichstellung der gewerblichen Nutzung zu einer Wohnraumnutzung scheidet aus.
Es weist jedoch der Entschluss eines Vermieters, die Mietwohnung nicht nur zu Wohnzwecken zu beziehen, sondern dort zugleich überwiegend einer geschäftlichen Tätigkeit nachzugehen (sog. Mischnutzung), eine größere Nähe zum Eigenbedarf nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf, da er in solchen Fallgestaltungen in der Wohnung auch einen persönlichen Lebensmittelpunkt begründen will. In diesen Fällen soll es regelmäßig ausreichen, dass dem Vermieter bei verwehrtem Bezug ein beachtenswerter Nachteil entstünde – was bei einer auf nachvollziehbaren und vernünftigen Erwägungen der Lebens- und Berufsplanung des Vermieters häufig der Fall sein dürfte.
Wenn der Vermieter die Wohnung ausschließlich zu geschäftlichen Zwecken nutzen möchte, weist dieser Fall eine größere Nähe zur Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB auf. Hierzu hätte der Vermieter allerdings erhebliche entstehende Nachteile von einigem Gewicht darlegen müssen, die vorliegend nicht gegeben waren.
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